„Zukunft braucht Herkunft“

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Ein Historischer Stadtkern definiert in aller Regel das soziale, ökonomische und kulturelle Profil einer Stadt. Er ist der Kristallisationspunkt für alles, was die Stadt bedeutet und ausmacht. Er ist sozusagen Stellvertreter für die Gesamtstadt, Ort der Identifikation, der lokalen Geschichte, des kulturellen Erbes. Noch heute prägende Merkmale spiegeln sich normalerweise im baukulturellen Erbe, in Gebäuden, im öffentlichen Raum, aber auch in  Veranstaltungen wieder.

Durch einen historischen Ortskern bekommt eine Stadt ihren „Alleinstellungsanspruch“ (USP), ihr individuelles Bild, ihr Gesicht und ihre Visitenkarte. Der Ortskern der Hugenottenstadt gehört mit der Bebauungsstruktur und den Häusern nicht zu den berühmtesten historischen Stadtkernen in Hessen – aber sein Grundriss ist einzigartig und denkmalgeschützt. Es ist das „Original“, das es zu erhalten gilt. Der Alte Ort ist das hugenottische Herz der Stadt. Doch dem historischen Stadtkern ist im Laufe der letzten Jahrzehnte seine identitätsstiftende Zentrumsfunktion als Hugenottenstadt abhandengekommen.

Situation: Quartiersgestalt und Baukultur

Schon seit geraumer Zeit sind im Alten Ort städtebauliche Fehlentwicklungen festzustellen, die zu einer unerwünschten bzw. unkontrollierten Quartiersgestalt führten. Insgesamt gibt es ca. 180 Gebäude im Alten Ort. Die meisten Gebäude sind Neubaumaßnahmen ab dem 1950er Jahren, schlecht integriert und nicht charakteristisch, entsprechend der Gestaltungssatzung von 1983. 67 % der Häuser im Alten Ort haben keinen Altstadtbezug mehr. Es existieren darüber hinaus 86 rückwärtige Innenhofgebäude: Die meisten privaten Innenhöfe sind versiegelt und werden als PKW-Stellflächen genutzt, oder sind mit Nebengebäuden respektive Garagen verbaut. Da größere Teile der privaten und öffentlichen Flächen als PKW-Abstellflächen genutzt werden, gibt es nur wenige, nicht beeinträchtigte öffentliche Orte.

Alter Ort Luftbild

Situation: Kultur und Geschichte

Das Stadtmuseum „Haus zum Löwen“ wurde 2011 neu konzipiert und präsentiert in seiner Dauerausstellung die Geschichte von Neu-Isenburg. Themenschwerpunkte sind die Gründung und Entstehung des Dorfes, theologische Aspekte und Lebensweise der ersten Hugenotten sowie die wirtschaftliche und demografische Entwicklung zur Stadt anhand ausgewählter Handwerks- und Gewerbezweige.

Die Themen der Dauerausstellung werden u.a. durch Sonderausstellungen und Veranstaltungen ergänzt. So gab es auch eine Sonderschau zum 300. Todestag des Stadtgründers Graf Johann Philipp von Ysenburg zu sehen, die mit 3. 200 Interessierten die besucherstärkste Ausstellung seit der Wiedereröffnung des Stadtmuseums 2011 war.

Der Trägerverein lädt das Management vom Stadtmuseum zu einem Brainstorming ein, um einerseits Lösungsansätze zur Förderung der Kultur im Alten Ort zu besprechen, aber auch zu diskutieren wie die Identität und die Wahrnehmung der historischen Wurzeln gestärkt werden können. Nur mit einem gemeinsamen Konzept kann der historische Gründungskern der Hugenottenstadt mehr ins kommunale, regionale und überregionale Bewusstsein gerückt werden.

Situation: Verkehr und Mobilität

Der Alte Ort ist das Quartier der kurzen Wege: Die Gassen waren nie für einen Autoverkehr angelegt, sondern für Pferde-/Wagen und Kutschen. Die Bewohner waren zu Fuß unterwegs, denn das Quartier ist in vier Minuten zu durchqueren. Die Seitenlänge des Quadrats beträgt 250 Meter. Durch die Ausrichtung auf die Erfordernisse des Autoverkehrs ist die Qualität des historischen Stadtkerns ins Hintertreffen geraten. Der Alte Ort mit seinen Gassen ist durch parkende PKW nicht erlebbar, es gibt keine Bänke, fast jeder Platz wurde in einen Parkplatz verwandelt. Der Alte Ort wurde nicht für den PKW-Verkehr konzipiert, sondern ist historisch in der Dimensionierung ihrer Gassen und Plätze auf eine fußläufige Erschließung ausgerichtet. Dieser Struktur entsprechend muss der Alte Ort aus der Sicht der Fußgänger betrachtet und weiterentwickelt werden.

Situation: Einzelhandel, Dienstleistungen und Gastronomie

Insgesamt verteilen sich im Alten Ort rund 39 Betriebe. Der überwiegende Teil sind Dienstleitungsbetriebe, davon sind fast 40 % Friseure-Kosmetik-Fingernägel-Fußpflege-Studios. Gastronomiebetriebe sind mit rund 12 % eher gering vertreten. Der Leerstand ist mit 13 % als kritisch zu bezeichnen. Eine Analyse ergab nach Gassen und Marktplatz folgende Situation: Einzelhandel 4 Betriebe. Dienstleistungen 26 Betriebe. Gastronomie 3 Betriebe. Leerstand 5 Geschäftslokale. Die Versorgung mit Waren für den täglichen Bedarf in Bezug auf Bäckerei, Metzgerei, Lebensmittel, ist im Alten Ort nicht gegeben. Dafür ist der Anteil an Friseuren, Pflege und Wellness sehr hoch.

Situation: Besucher, Gäste und Kunden

Die Gastronomie: Apfelwein Föhl, Da Luigi, Alter Haferkasten hatten 2019 rund 120.000 Gäste jährlich. Die sonstigen Geschäfte kommen auf rund 17.500 Kunden (geschätzt). Das jährlich stattfindende Altstadtfest (Fr.-So.) zieht ca. 10.000 Besucher in den Alten Ort. Die Besucherzahl ist rückläufig. Der Weihnachtsmarkt (Sa.-So. von 15 bis 20 Uhr) findet an einem Adventsonntag statt. Das Event zieht ca. 2.000 Besucher in den Alten Ort. Auch hier nehmen die Besucherzahlen ab. Marktplatzkonzerte finden vereinzelt auf dem Marktplatz im Sommer statt, sie ziehen ca. 500 Besucher an. Alles in allem kamen im Jahr 2019 ca. 153.000 Besucher, Gäste und Kunden in den Alten Ort. Apfelwein Föhl macht den Hauptanteil aus. Sonstige Ladengeschäfte können auf Dauer so nicht überleben.